Phallus

Apr 3, 2021

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Stinkmorchel (Phallus_impudicus)

Henrietta Emma Litchfield war die Tochter von Charles Darwin. Sie fand die phallische Form der Stinkmorchel reichlich obszön. Daher fühlte sie sich zu merkwürdigen Handlungen berufen. Henrietta soll nämlich alle Stinkmorcheln, derer sie habhaft wurde, heimlich verbrannt haben. Sie wollte auf diese Weise schließlich verhindern, dass die Sittlichkeit junger Mädchen Schaden nehme.

Das Bild oben zeigt die Fotomontage einer jungen und außerdem einer reifen Stinkmorchel (Phallus impudicus). Sozusagen eine Montage-Arbeit von Ol´Monday.
Alle drei Fotos der Seite sind von Wilhelm Schulz

Links ist ein Fruchtkörper zu sehen, der sich gerade eben zu seiner vollen Größe gestrafft hat. Die grüne Fruchtmasse mit den Sporen (Gleba) beginnt soeben zu reifen. In dieser Minute stinkt sie wahrscheinlich noch nicht. In der nächsten Stunde allerdings schon. Im rechten Teil des Bildes haben sich folglich zahlreiche Fliegen vom aasigen Geruch der reifen Gleba anlocken lassen. Inzwischen haben sie die Sporenmasse nahezu vollständig aufgefressen. Sie werden sie andernorts mithin wieder ausscheiden.
Sie entsprechen damit auf jeden Fall dem Wunsch des Pilzes nach Verbreitung und Reproduktion seiner selbst.

→ Die Jugendform war Namenspate
für den Grünen Knollenblätterpilz (Amanita phalloides).
Der erste, der den Pilz beschrieben hat, war der Franzose Sébastien Vaillant (1669-1722).
Vaillant beschreibt in seinem Buch „Botanicon parisiense…“ wunderbar plastisch, wie sich der Stiel mit dem Hut aus der Knolle erhebt. Man kann anhand der Beschreibung gut nachvollziehen, weshalb er ihm den Namen Fungus phalloides verpasst hat.

Lehrer Lämpel erhebt seinen digitus: Ein klein wenig Gemeckere

Die Stinkmorchel (Phallus impudicus) wurde 2020 von der DGfM zum Pilz des Jahres gekürt. Das geht so weit in Ordnung. Es ist ja schließlich auch ein interessanter Pilz.
Was mir allerdings gar nicht gefällt, ist die Übersetzung des lateinischen Gattungsnamens.
Der Artname impudicus wird ins Deutsche übersetzt. Er bedeutet „unzüchtig“ beziehungsweise „unverschämt“. Aber das griechische φαλλός – phallós, latinisiert zu phallus, wird hingegen ins Lateinische (penis) übersetzt.

Ei, warum denn dieses??

Für penis gibt es doch auch ein deutsches Wort: Schwanz, Bürste oder Pinsel. Das hat seinen Ursprung darin, dass Tierschwänze einstmals als Bürsten oder Pinsel verwendet wurden.
Beim inflationär verwendeten Begriff „Penis“ für das männliche Glied krieg ich immer eine cutis anserina (Gänsehaut) auf die iuppa (Jacke). Ich selbst werde das erst dann akzeptieren, wenn die übrigen Teile unserer Körper ebenfalls standardmäßig mit lateinischen oder griechischen Namen belegt werden: pes/pus (Fuß), caput (Kopf), brachium (Arm), collum (Hals), lingua (Zunge), cerebrum (Gehirn), oculus (Auge), pulmo (Lunge), patella (Kniescheibe), capillus (Haar), gaster (Magen), hepar (Leber), dorsum (Rücken)…
Um nur ein paar Beispiele von Begriffen zu nennen, die auch in der Pilzwelt handelsüblich sind.
Wer benutzt denn lateinische und griechische Namen für menschliche Körperteile? Doch nur jemand, der sich beruflich mit Krankheiten (morbi) befasst. Oder?

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